Seiltänzer auf festem Boden
Zum Werk von Biwi Köppel von Josef Guggenberger “...wie die Natur Materie ist, die zum Geist drängt,
so ist die Kunst Geist, die in Materie gekleidet wurde,
und darum spricht sie auch in ihren unscheinbarsten Äußerungsformen Sinne und Seele zugleich an.”
Oscar Wilde, Der Kritiker als Künstler (1890)
Folgt man den Worten von Oscar Wilde, so besitzt die Kunst die Fähigkeit die Gegensätze zwischen Materie und Geist, zwischen sinnlicher Wahrnehmung und immaterieller Seele im ästhetischen Wechselspiel von Form und Inhalt zu vereinen. Im bildhauerischen Werk Biwi Köppels scheint das Hauptaugenmerk zunächst auf die materielle Seite gerichtet: Schwere, metallisch-hölzerne Skulpturen in erdigen Tönen, rostbefallene, beklemmend figürliche Plastiken manifestieren die Allgegenwart der Substanz. Inmitten der Schweißnähte, Brüche und Kanten versteht es der Künstler jedoch, symbolbeladene Fixpunkte zu setzen, die – häufig der christlichen Ikonografie entlehnt – auf größere Sinnzusammenhänge verweisen.
Es ist das große, sinnstiftende Narrativ der Religion, das den Hintergrund für Köppels zumeist biografisch motivierte Erzählungen von Leben, Leid und Hoffnung bildet und das die Brücke zur immateriellen, universellen Ideenwelt des Künstlers schlägt. Die Auseinandersetzung mit religiösen, mythischen und chiffrierten Zeichensystemen sei, so Köppel selbst, “der Humus auf dem mein Werk gedeiht”, womit er im sprachlichen Bild erneut den soliden Grund bestätigt, auf dem seine bleischweren Arbeiten ihre immaterielle Sphäre zu evozieren suchen.
Als wesentlich für die Metamorphose von Materie zu Geist bezeichnet Köppel den Schaffensprozess selbst, der “viel Durchhaltevermögen und einen tiefen Glauben an eine höhere Ordnung” erfordere. In der bewusst körperlichen wie geistigen Auseinandersetzung mit dem Material wird einer Passion, einer Leidenschaft im Wortsinn nachgespürt, die sich in einer konkreten, kontemplativen und bisweilen unbehaglichen Figurensprache wiederfindet. Im Dienste einer kathartischen Reinigung stellt Köppel fernab jeglichen Öffentlichkeitsdrangs private und metaphysische Fragen nach Schuld, Demut, Freiheit und Glück,